Mittwoch, 26. Juli 2017

Tag 38: Den Schalk im Nacken ?

Gegen 6:15 Uhr krabble ich aus meinen warmen Decken im Winterraum. Schnell ein paar Klamotten anziehen und dann der Blick nach draußen: White out.
Auf der einen Seite ist nur weiß und kein Berg zu sehen, auf der anderen Seite sind schemenhaft die Umrisse der Hütte zu erahnen.

Als ich aus dem Gebäude trete sind schon die ersten Frühaufsteher am umher spazieren. Und daß, obwohl sie gestern so gefeiert haben. Respekt !

Um 6:30 gibt es pünktlich Frühstück und Senior-Chef und -Chefin schauen munter und fit aus (der Junior, der später dazu kommt, etwas weniger ;-). Gegen 6:45 sind neben mir und den drei Wienern auch noch jede Menge andere Feiergäste bereits im Gastraum. Sie können also feiern und früh aufstehen. Manch einer hat bereits wieder das erste Bier vor sich stehen. Na denn, Prost/Mahlzeit ...

Da ziehe ich Tee und ein paar ordentliche Wurstbrote vor. Auch das Bauernfrühstück mit Eiern und Speck von Gert ist nicht zu verachten.

Die Österreichische Dreiergruppe teilt sich heute auf: Peter wird ins Tal absteigen, da er nicht gut drauf ist und gestern große Probleme hatte. Unabhängig davon hatten mich Sebastian und Gert bereits am Vorabend gefragt, ob ich nicht mit ihnen zusammen gehen möchte.
Das klingt nach einem guten Plan und so nehme ich heute quasi Peters Platz ein.

An der Hagener Hütte kreuzt der 02er übrigens auch den österreichischen 10er Weitwanderweg und den europäischen E10.

Gert gibt ein ordentliches Tempo vor (ich hatte mit meiner ursprünglichen Erst-Einschätzung am Hannoverhaus also recht: Sie sind einen Ticken flotter unterwegs als ich), ich folge und Sebastian bildet den Abschluß und holt auch nach Raucherpausen oder ähnlichem jedes Mal wieder schnell auf.


Der Hagener Weg geht von der Hütte gen Süden den steilen Hang aus brüchigem Gestein auf einem schmalen Pfad entlang. Der Anstieg ist erst sehr moderat, bevor es im Bereich der Geißwand gen Westen steiler wird.
Bereits von Weitem hatte ich geradeaus eine Gams erblickt, deutlich oberhalb von uns in größerer Entfernung allerdings mehrere Tiere, die ich nicht genau bestimmen konnte. Doch nicht etwa Steinböcke ?
Sebastian meint, wohl eher nicht, aber eine Weile später bleibt Sebastian an der Spitze unseres Trios unvermittelt stehen: Direkt vor uns, auf der nächsten Felsrippe, nur wenige Meter entfernt stehen zwei Steinböcke und stoßen uns gegenüber Drohlaute aus.

Kurz nachdem sie sich zurückgezogen haben und wir etwas weiter aufgestiegen sind, kann ich die ganze Herde mit insgesamt neun Exemplaren unweit erspähen. Prächtige Tiere !

Wir gewinnen nun zunehmend an Höhe und die Ansage von Sebastian, daß uns der Hüttenwirt der Duisburger Hütte, der nach der Feier auf der Hagener, der Übernachtung und zwei Bier am Morgen deutlich nach uns gestartet war, uns NICHT bis zur Scharte würde überholen, erscheint mir langsam gewagt, denn der Scherzbold sitzt uns quasi wie der Schalk im Nacken.

Eingeholt hat er uns (natürlich), aber er läßt uns gewähren und heftet sich bis zur Scharte an unsere Fersen.

Wir inspizieren auf der Feldseescharte alle zusammen das Dr.-Rudolf-Weißgerber-Biwak, was eine Schlechtwetter-Blechschachtel zum Schutz suchen ist, die allerdings nicht für Nächtigungen ausgestattet ist. Das Hüttchen gehört offiziell mit zur Duisburger Hütte, weswegen der Wirt auch nach dem Rechten schaut.


Im Abstieg von der Scharte und im Anschluß teils über Blockwerk den Hang gen Nordwesten entlang, sehen wir den Wirt davon ziehen. Er kennt hier wohl jeden Stein beim Vornamen.

Wir drei sind auch ganz gut unterwegs, allerdings deutlich langsamer, wobei ich es heute genieße als zweites zu gehen, denn so kann ich mich immer entscheiden, entweder wie Gert oder anders zu gehen, da das Gelände nicht ganz trivial zu gehen ist. Nach all den Wochen, wo ich jeden Schritt immer bereits initial selbst bewerten mußte und eben keine Vorlage hatte, mal eine entspannende Abwechslung.
Besten Dank an Gert und Sebastian fürs Mitnehmen.

Bereits nach vier Stunden erreichen wir mittags die Duisburger Hütte, wobei es kurz vor der Hütte ein wenig tröpfelt. Das Wetter ist deutlich besser als vorhergesagt, aber eben einerseits weiterhin latent instabil und andererseits soll es in den nächsten Tagen richtig schlecht werden.


Mit Interesse hatte Sebastian deshalb bereits die Tage sich meine Südroute nach Heiligenblut angesehen. Eigentlich wollten die drei nämlich der 02er-Originalroute über die Gletscher und Kletterstellen rund um den Sonnblick folgen, allerdings stellt das angekündigte Wetter das etwas in Frage.

Da von Norden am Abend auf einer Nachbarhütte ein weiterer Wanderer zu ihrer Gruppe stoßen sollte, wird am Nachmittag an der Duisburger weiter aufgeteilt: Sebastian geht heute noch über die Fraganter Scharte zur Nachbarhütte im Norden. Morgen werden er und der Nachzügler dann entweder - bei passendem Wetter - zum Zittelhaus auf dem Sonnblick aufsteigen oder zurück über die Scharte zur Duisburger Hütte gehen und Gert und mir zum Sadnighaus folgen oder ins Tal abfahren.

Ich bin mal gespannt. Zuletzt haben sich die Pläne der Jungs ja bereits mehrfach geändert.

Am Abend spielen sich vor der Hütte skurrile Szenen ab: Ein Fuchs schleicht um den Eingang der Hütte und kommt bis auf wenige Meter an die Schaulustigen heran. Tollwütig scheint er aber nicht zu sein, denn zu nahe kommen darf man ihm nicht. Gleichzeitig schleicht ein Mutterschaf mit zwei halbstarken ums Haus und über die Terrasse.
Lustig wird es, wenn der Fuchs den Dreien zu nahe kommt, dann machen sie nämlich umgehend Jagd auf den armen Kerl, dem dann nur die Flucht bleibt.




Begegnungen:
1 Gams
9 Steinböcke
Hüttenwirt der Duisburger Hütte auf dem Rückweg vom Feiern zur eigenen Hütte
1 Frosch
3 Schafe, die 1 Fuchs jagen


2.000er:
Feldseescharte, 2.714

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