Mittwoch, 26. Juli 2017

Tag 36: Willkommen in Italien



Gestern Nachmittag an der Arlscharte bin ich ja aus dem Salzburger Land nach Kärnten eingereist, am Mittag sollte ich aber meinen, ich wäre in Italien gelandet. Aber bis dahin ist noch ein wenig zu gehen, auch wenn die heutige Etappe mit angekündigten 4,75 Stunden per se eher zum Erholen taugt, was nach der längeren Etappe gestern aber genau ins Programm paßt.


Also nach dem Frühstück gemütlich um 8:30 Uhr von der Osnabrücker Hütte in den zuerst gemächlichen Aufstieg rechts des Fallbachs auf den großen Wasserfall zu, wo der Bach imposant vom Fallboden gut 300 Höhenmeter oberhalb der Hütte eine Steilstufe und damit ein paar Dutzend Meter im freien Fall überwindet. Entgegen der Beschreibung wird der Pfad (im Gegensatz zum Vortag) nie wirklich sehr steil und flott ist der Fallboden erreicht.

Nun geht es etwas flacher dahin und eine Schafherde weicht vor mir vom Weg zurück.
Die ganze Herde ?
Nein, ein Schaf hat es sich dann doch anders überlegt und kommt ein Stück hinter mir her. Als ich stehen bleibe und mich umdrehe, bleibt es drei Meter entfernt dann doch sicherheitshalber stehen. Alle 30 Sekunden kommt es ca. 20 Zentimeter näher.
Aber dann kommt offensichtlich das Leitschaf (mit Glocke um den Hals) von hinten direkt auf mich zu, das Salz vom Schwitzen lockt wohl, und dahinter die ganze Herde. Nun führe ich beim Weitergehen wie der Rattenfänger von Hameln, eine ganze Schafschar hinter mir her.

Irgendwann wird es ihnen dann doch zu bunt bzw. im Moränengelände zu karg und ich ziehe wieder alleine meine Bahnen. Hinter mir ist noch ein Pärchen unterwegs, die ich beim Pausieren am Beginn des Fallbodens passiert hatte.

Der Weg führt ab und an über kleine, harmlose Schneefelder und dann sehr angenehm nach oben und querend hinüber zur Großelendscharte.

Kurz unterhalb des Übergangs treffe ich ein 72-jähriges, sportlich-fittes Pärchen aus Luxemburg, die sich eine Rundtour ab Gastein selbst zusammengestellt haben und mir super Auskunft über meine nächsten Etappen geben können, da sie in die Gegenrichtung unterwegs sind. Wir unterhalten uns eine Weile, bis das Pärchen, was hinter mir war, wieder aufgeschlossen hat.

Von der Scharte geht es zuerst etwas bergab zu einem See, wo mit einer Art Bojen irgendetwas versenkt ist. Im nächsten Bergsee das gleiche Spiel. Evtl. irgendwelche Forschungsinstrumente oder ähnliches.

Der Goslarer Weg führt nun immer leicht aufwärts oder abwärts am Hang entlang gen Westen. Bereits aus großer Entfernung ist das 4. Hannoverhaus zu sehen.


2008 reiften bei der DAV Sektion Hannover die ersten Pläne, den 1911er-Standort der dritten Hütte hier auf der Arnoldhöhe direkt auf dem Hauptalpenkamm in 2.720 Metern aufzugeben. Der Rückgang des Permafrost hatte die Stabilität der Hütte dort bedroht, weitere Sanierungen wären fällig gewesen und ein Anschluß an das öffentliche Kanalnetz wurde von Land/Gemeinde forciert.

Ende 2013 war dann die neue Hütte am Etschlsattel, gut 150 Höhenmeter tiefer und damit auch unterhalb der Seilbahnbergstation und im Winter direkt an der Skipiste fertig. 3 Millionen Euro mußten für den Neubau und den Rückbau der alten Hütte investiert werden und Schätzungen zu Folge, wird die Sektion trotz Zuschüssen noch bis ins Jahr 2043 Schulden bei Banken und dem DAV-Hauptverein tilgen. Die Infrastruktur in den Bergen ist schon ein teurer Spaß, aber für viele Erlebnisse unverzichtbar, gerade auch für die Wanderer, die so beispielsweise hier den Nationalpark Hohe Tauern (mit 1.800 km² der größte ganz Mitteleuropas) zu Fuß erleben können.
Ich werde den Nationalpark erst an der Birnlücke im Westen in knapp zwei Wochen verlassen.

Eine gute Stunde gehe ich noch bis ich das Hannoverhaus bereits um kurz nach 13:00 Uhr erreiche. Eine wunderschöne Etappe. Zusätzlich durch die Kürze sehr erholsam.

Als ich die Hütte über die Terrasse betrete ist gerade großer Mittagstrubel. Und es wird eigentlich nur italienisch gesprochen. Auch die Bedienung kontert Bestellungen mit Brocken von Italienisch.
Ich vergewissere mich schnell und unauffällig auf dem GPS, daß ich mich nicht derart verlaufen habe, daß ich jetzt wirklich in Italien bin - hey, ich gehe doch diesmal den Zentral- und nicht den Südalpenweg.
Jetzt kommt mir auch wieder ein Satz in den Sinn, den ich vorhin so komisch fand: Die Luxemburger erwähnten, daß einige Etappen westlich einige ¨von der italienischen Seite¨ aufgestiegen sind.

Sehr mysteriös, denn bis zur (wirklichen) Grenze dürfte es noch ganz schön weit hin sein.
Wahrscheinlich ist das hier ein beliebter Ausflugsberg für (traditionell eher Fuß-faule) Italiener, weil die Seilbahn unweit der Hütte endet ...

Eine gute Stunde später ist der Trubel vorbei und ich bekomme ein Zimmer.
Die Zimmer sind sehr durchdacht: Unten ein Stockbett, Schränke, Tisch, Stühle und dann geht es über eine Treppe ins Obergeschoß des Zimmers, wo nochmal drei Betten sind. Es gibt in der neuen Hütte auch nur Zimmer und gar keine Matratzenlager. Nett und durchdacht !

Am Abend treffe ich dann noch drei Wiener, die hier wieder auf den 02er gen Westen einsteigen. Sie gehen jedes Jahr ein Stück und haben auch Ausrüstung für die extremeren Etappen über Gletscher und/oder mit Kletterei an Bord.
Im Gespräch stellt sich mal wieder heraus, wie klein die Welt ist: Sebastian ist der Blogger der seit Jahren den Zentralalpenweg-Blog schreibt, weswegen ich ja die 02er-Erweiterung habe. Gert wiederum ist der Kassier der ÖAV-Sektion Weitwanderer (mit dem anderen Gert und Martin kenne ich ja so langsam den ganzen Vorstand :-). Komplettiert wird das Trio von Peter.


Begegnungen:
Schafherde im Verfolgungsmodus
72-jähriges Ehepaar aus Luxemburg
Sebastian (Zentralalpenweg-Blog), Gert (Kassier ÖAV-Sektion Weitwanderer) und Peter, die hier wieder in den 02er einsteigen, den sie schon seit ein paar Jahren stückweise gehen.
1 Fuchs


2.000er:
Großelendscharte, 2.674

1 Kommentar: